Dokumentation der ZIS-Affäre

Dokumentation der ZIS-Affäre 2021

I. Vorgeschichte 2005-2020

1. Die Internet-Zeitschrift „für internationale Strafrechtsdogmatik“, abgekürzt ZIS, ist im Jahre 2005 von vier Herausgebern gegründet worden, nämlich Herrn Hefendehl, Herrn Hoyer, Herrn Rotsch und mir. Ich wurde damals von Herrn Hoyer darauf angesprochen, ob ich Interesse hätte, gemeinsam mit ihm, Herrn Hefendehl und dem damals noch nicht habilitierten Herrn Rotsch (von dem die Idee stammte) diese Online-Zeitschrift zu gründen und herauszugeben; durch ein gemeinsames Rundschreiben der vier Herausgeber ist sie am 15.09.2005 dem Strafrechtslehrerkreis vorgestellt worden. Es war von Anfang an vereinbart, dass Herr Rotsch die Schriftleitung übernimmt, die erst später durch weitere Redakteure ergänzt wurde, und auch für die technische Produktion zuständig ist, die wiederum von der DFG finanziell gefördert wurde.

2. Die erste Ausgabe erschien Anfang 2006, und die anschließenden 15 Jahre dürfen als eine Erfolgsgeschichte bezeichnet werden, jedenfalls konnten alle die Entwicklung direkt beobachten. In dieser Zeit hat Herr Rotsch als Schriftleiter eine umfangreiche und hervorragende Arbeit geleistet, für die er stets und auch heute noch die gebührende Anerkennung erfahren hat. Insbesondere lag die laufende Tätigkeit vollständig bei der Schriftleitung. Ich selbst habe als Herausgeber im Laufe der Jahre 16 Beiträge in der ZIS publiziert, durch persönliche Empfehlungen viele Autoren zur ZIS gebracht und einige Male bei der Konzeption einzelner Ausgaben in unterschiedlicher Intensität mitgewirkt. Anlässe für ein Eingreifen als Herausgeber in die laufende Arbeit gab es bis zum Jahre 2020 nicht. Dies änderte sich erstmals mit dem Rezensionsaufsatz von Lothar Kuhlen in ZIS 2020, 327, der in Kollegenkreisen zu einer Kontroverse führte, die zunächst in heftiger Form auf Twitter und sodann auch auf meine Initiative hin in einer eigenen Ausgabe der ZIS ausgetragen wurde. Während sich vier Autoren dieser Ausgabe (Ambos, Greco, Rotsch und ich selbst) mit der Rezension eher am Rande beschäftigten und stattdessen eine seit langem auch in der ZIS geführte Kontroverse über den Stellenwert der deutschen Strafrechtsdogmatik in der internationalen Strafrechtswissenschaft fortsetzten, hat Tatjana Hörnle die Gefahr thematisiert, dass aus dem von Kuhlen für seine Rezension benutzten Bild einer Kristallkugel ein „Brennglas“ werde, weshalb man sich beim Verfassen von Buchbesprechungen auch Gedanken über deren soziale und psychologische Effekte machen sollte, insbesondere wenn für eine sehr negative Besprechung nicht eine in Printform erscheinende, sondern ein frei zugängliches Online-Medium gewählt werde, was leicht zur Entladung von Schadenfreude und Häme in medialen Kommentaren führen könne (ZIS 2020, 469 f.).

II. Die Stuckenberg-Rezension und die unmittelbaren Reaktionen darauf

1. Für die jetzige Entwicklung ausschlaggebend ist ein Rezensionsaufsatz von Carl-Friedrich Stuckenberg, der Mitte April 2021 in ZIS 2021, 279 ff. publiziert worden ist, und zwar allein aufgrund einer Entscheidung von Herrn Rotsch, ohne dass dieser die Frage vorher in der Redaktion, geschweige denn mit den Herausgebern besprochen hätte. Gegenstand war die Habilitationsschrift von Frauke Rostalski über „Der Tatbegriff im Strafrecht“ (2019). Es ist unbestritten, dass in dieser Rezension die Kritik im Vergleich mit der vorangegangenen Rezension von Kuhlen in extremer Weise gesteigert und verschärft worden ist, beispielsweise durch folgende Sätze: 

„Am Ende steht der Leser erschüttert da und rätselt, worum die Arbeit mit derart heißer Nadel genäht wurde, dass diese gleich auseinanderfällt, wenn man sie nur genau liest. Insgesamt leidet das Buch jeweils an einem beträchtlichen Mangel an Denkvermögen, Methodik, Gelehrsamkeit, Sorgfalt und intellektueller Redlichkeit, gepaart mit einem Übermaß an Sophisterei und penetrantem Eigenlob. Angesichts der zahlreichen groben Verletzungen rechtswissenschaftlicher Standards in Anlage und Durchführung ist es als Beitrag zur Strafrechtswissenschaft wertlos. Wertvoll ist das Buch indes als Unterrichtsmaterial für Veranstaltungen zur Methodenlehre wegen seines Reichtums an Denkfehlern allerlei Art. Auch stilistisch ist das Buch eine Zumutung. Stilwidrig in einer wissenschaftlichen Abhandlung ist die eifernde Parteitagsrhetorik …. Dass man mit einem inhaltlich wie methodisch derart insuffizienten Text an einer deutschen Rechtsfakultät habilitiert werden kann, ist ein Beispiel eklatanten Versagens akademischer Selbstkontrolle.“ (ZIS 2021, 297) Oder Fn. 87: „Diese Ausführungen fußen ausweislich des Vorworts auf einem einjährigen Forschungsaufenthalt in den USA, der durch drei Stipendien – bemerkenswert angesichts des üblichen Kumulationsverbots – gefördert wurde. Bemerkenswert ist auch die Dürftigkeit des verarbeiteten Materials …. Dafür hätte eine Woche am heimischen Schreibtisch genügt.“

2. Das hierdurch ausgelöste Echo war um ein Vielfaches größer als nach der Kuhlen-Rezension.

a) Am 19.04.2021 schrieb Tatjana Hörnle an die Herausgeber, dass sie die Rezension mit Bestürzung gelesen habe; es sei ein Konflikt (scil. zwischen Autorin und Rezensent) einschlägig, den Herausgebern dürften die sehr ungewöhnlichen Umstände des Berufungsverfahrens an der Universität Köln im Jahr 2017 und die Fortwirkungen dieser Befangenheitslage bei nachfolgenden Berufungsverfahren an der Universität Bonn ja bekannt sein. Herr Stuckenberg bestehe darauf, trotz dieser Hintergründe ausschließlich nach Sachgründen geurteilt zu haben, was jedoch angesichts der Schärfe nicht auf der Hand liege, weshalb die Veröffentlichung vor allem auch der Wissenschaft schade. Rezensionen sollten nicht den Lesern abverlangen, den Verdacht emotionaler Unterströmungen und möglicher Verzerrungen aufzuklären. Ihre Empfehlung laute, den Text von der Webseite zu nehmen oder den Lesern der ZIS zu erläutern, warum die Annahme den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis entsprochen habe.

b) Ferner nahmen 4 Mitglieder der ZIS-Redaktion per Email Stellung:

aa) Frau Brüning erklärte am 19.4.2021, die Rezension sei ohne ihre Kenntnis erschienen, sie sei bereits über die vorangegangene vernichtende Rezension (scil. Kuhlens) wenig erfreut gewesen, „aber die aktuelle Rezension toppt es noch einmal“. Sie wirke wie eine persönliche Abrechnung. Nach außen entstehe mit diesen zwei vernichtenden Rezensionen der Eindruck, dass die ZIS eine Art „Vernichtungsfeldzug“ gegen junge weibliche aufstrebende Wissenschaftlerinnen betreibe. Die Idee von Frau Hörnle, den Text aus dem Netz zu nehmen, finde sie richtig.

bb) Herr Zöller hat am gleichen Tage erklärt, er könne Frau Brüning nur beipflichten. Es entstehe der Eindruck, dass der Artikel vom gesamten Redaktionskreis getragen werde, was zumindest bei ihm nicht zutreffe. Die Schlussbemerkung der Rezension sei ohnehin deplatziert. Ihm persönlich sei es unbegreiflich, wie man so viel Energie auf die Demontage von Kolleginnen und Kollegen verwenden könne.

cc) Frau Weißer hat am 21.4.2021 erklärt, es sei ganz klar, dass auch das Ansehen des Publikationsorgans beschädigt werde, wenn ein Text erscheine, dessen Ton und Stil die Grundregeln des wissenschaftlichen Diskurses verletze.

dd) Herr Hecker erklärte mit Schreiben vom 28.4.2021 die Beendigung seiner Mitgliedschaft in der Redaktion der ZIS. Er halte es für einen großen Fehler, dass die Mitglieder der Redaktion in die Entscheidung über die Publikation nicht eingebunden worden seien. Einen Besprechungsaufsatz, der die Verfasserin des besprochenen Werkes beleidige und als Person herabsetze, halte er nicht für annahmefähig. Auch gehe es nicht an, den Habilitationsbetreuer und die Marburger Fakultät in der geschehenen Weise anzugreifen.

ee) Der Rücktrittserklärung von Herrn Hecker schloss sich Herr Zöller am 29. April an, wobei er mitteilte, die Beweggründe habe er in einem ausführlichen Schreiben an Herrn Rotsch dargelegt, wofür ausweislich einer E-Mail von Herrn Rotsch an die Mitherausgeber das singuläre Ereignis der Publikation der Rezension Stuckenberg angegeben und für nicht nachvollziehbar erklärt wurde.

ff) In einer weiteren E-Mail vom 09. Juni 2021 teilte Herr Rotsch den Mitherausgebern mit, dass er sich mit Frau Brüning, Herrn Theile und Frau Weißer darauf verständigt habe, dass sie ihre Mitarbeit in der ZIS-Redaktion mit sofortiger Wirkung beendeten, und zwar im Anschluss an eine Grundsatzdiskussion über die Veröffentlichungspolitik der ZIS, deren Anlass ein mittlerweile angenommener kritischer Beitrag von Herrn Herzberg gewesen sei. Aus der Redaktion, die außer dem Schriftleiter Herrn Rotsch aus neun Mitgliedern bestand, sind damit in Zusammenhang mit dem Artikel von Herrn Stuckenberg fünf Mitglieder ausgetreten.

c) Am 21.04.2021 hat Georg Freund an Herrn Rotsch ein Schreiben gerichtet, das in Kopie auch an die Herausgeber und Redaktionsmitglieder ging und gegenüber dem Beitrag von Stuckenberg den Vorwurf erhob, er habe „beleidigenden Charakter“ und sei „auf nichts Anderes als auf eine Diffamierung“ der Autorin gerichtet, weshalb er Herrn Rotsch mit Nachdruck auffordere, die Veröffentlichung umgehend aus dem Internet zu entfernen. U. a. diene der Begriff der „Parteitagsrhetorik“ einem ungeheuerlichen Angriff auf die persönliche Integrität der Autorin. Bei den Bemerkungen über den Forschungsaufenthalt versteige sich Stuckenberg zu Aussagen über Sachverhalte, zu denen er gar keine Angaben machen könne, und äußere auf eine Beschädigung der Autorin zielende Mutmaßungen über eine rechtswidrige Verwendung der Gelder. Stuckenberg sei befangen gewesen, u. a. habe es in den Bonner Verfahren eine Vielzahl an Unregelmäßigkeiten zum Nachteil der Autorin gegeben. Der „diffamierende Text von Stuckenberg“ hätte nie veröffentlicht werden dürfen und wurde als „gezielter Racheakt“ qualifiziert.

3. a) In den nächsten Tagen gab es intensive Erörterungen zwischen den 4 Herausgebern der ZIS, deren Zuständigkeit für die Behandlung der Situation unter ihnen unstrittig war. Mir persönlich erschien die in der Rezension geäußerte Kritik gewichtig, die Diktion zwar weit überzogen, der Vorwurf eines gezielten Racheakts jedoch mangels meiner Kenntnis der Geschehnisse und Hintergründe in den Kölner und Bonner Berufungsverfahren noch nicht verifizierbar, weshalb ich Herrn Rotsch aufforderte, hierüber bei Herrn Stuckenberg Aufschluss zu verlangen.

b) Dieser erklärte auf das ihm von Herrn Rotsch übersandte Schreiben von Herrn Freund hin u. a., sein Text lasse sich ausschließlich sachlich erklären. Er sei von rund einem Dutzend Personen, darunter etlichen Kolleg*innen, auf Inhalt und Stil hin gegengelesen, auch der Vorwurf des Racheakts im Kollegenkreis diskutiert worden, den aber niemand für plausibel gehalten habe. Frau Rostalski habe sich 2018 auf die Nachfolge Zaczyk in Bonn beworben, er – Stuckenberg – sei in der ersten Berufungskommission von Herbst 2018 bis Frühjahr 2019 gewesen, aus der zweiten sei er im Mai 2019 ausgeschieden, um allen denkbaren Befangenheitsvorwürfen und etwaigen Konkurrentenklagen weiträumig vorzubeugen. Soweit er erfahren habe, habe sich Frau Rostalski im Winter 2019 beim Bonner Rektor und beim Wissenschaftsministerium NRW beschwert, weil sie nicht zu einem Probevortrag eingeladen wurde. Zur Ruferteilung an den Erstplatzierten sei es bislang nicht gekommen. Das Verfahren solle nun abgebrochen worden sein.

c) Im Kreis der vier Herausgeber bestand Einigkeit darüber, dass eine Löschung des Stuckenberg-Textes aus dem Internet wegen des denkbaren Vorwurfs einer „Cancel Culture-Praxis“ nur im Falle einer von der Verletzten erstrittenen Gerichtsentscheidung (die für möglich gehalten wurde) in Betracht komme, weshalb in einem gemeinsamen Schreiben an Frau Hörnle angeregt wurde, „sich mit Herrn Stuckenberg persönlich ins Benehmen zu setzen und ihm ggf. eine Klarstellung bei Frau Rostalski ans Herz zu legen, dass ihm die Absicht einer persönlichen Kränkung fern gelegen habe“. Nachdem ich persönlich bei der endgültigen Beschlussfassung in einer Zoom-Konferenz der Herausgeber aus Krankheitsgründen nicht hatte teilnehmen können, fügte ich dem Schreiben der Herausgeber eine persönliche E-Mail an Frau Hörnle hinzu, in der ich ausführte, dass ich die Kritik von Stuckenberg in der Sache an sich teile, „aber die von ihm hier hinzugefügte persönliche Vernichtung der Autorin schäbig“ fände, den Nachweis der Befangenheit aber bisher nicht geführt sähe; es gäbe nur „plausible Mutmaßungen“, die auch nach meiner persönlichen Einschätzung nach außen gerichtete Schritte nicht legitimieren könnten, sondern nur eine Glosse über „Arroganz und Missgunst im Wissenschaftsbetrieb“.

III. Parallele Aktivitäten bezüglich des Berufungsverfahrens an der Uni Bonn

1. Was mir an der Stellungnahme von Herrn Stuckenberg auffiel und worauf ich in der E-Mail an Frau Hörnle wie auch in internen Diskussionen hinwies, war seine Äußerung, dass der Text von rund einem Dutzend Personen, darunter etliche aus dem Kollegenkreise, genauestens gegengelesen worden sei, weswegen ich mir die Frage stellte, aber nicht zu beantworten vermochte, wer dazu zählte, welchen Einfluss diese Personen genommen hätten, warum keine zur Mäßigung geraten hätte und ob die im April 2021 platzierte Rezension speziell zu diesem Zeitpunkt einem bestimmten Zweck gedient haben könnte.

2. Ohne mich weiter in dieser Angelegenheit aktiv umzutun, erhielt ich in den nächsten Wochen nach dem Antwortschreiben an Frau Hörnle einen Artikel aus dem Bonner Generalanzeiger des Redakteurs Horstkotte zugesandt, der unter der Überschrift „Der Bonner Rechtsphilosophie droht das Aus – der Lehrstuhl an der Uni ist seit zwei Jahren verwaist. Die Wiederbesetzung scheiterte zweimal, die Fachwelt reagiert empört“ auf ein Schreiben von „50 Jura-Professoren Spanisch sprachiger Universitäten vieler Länder, durchweg mit Bonner Studienerfahrung“ bezog, das gegenüber dem Rektor der Uni Bonn ihre Bestürzung ausgedrückt habe, dass der Ruf an den idealen Kandidaten Michael Pawlik nicht ausgesprochen werden solle. Das Ministerium habe offiziell eine „Beanstandung“ nach Hochschulgesetz angekündigt, falls die Uni Herrn Pawlik ins Amt heben würde, und zwar wegen der Intervention einer (im Artikel nicht genannten) Bewerberin. Die erste Berufungskommission hätte nach einem Jahr ihr Mitglied Stuckenberg wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen und ihre Arbeit ergebnislos abgebrochen. In der zweiten Stellenausschreibung im Frühjahr 2019 sei dann die Reihenfolge „Strafrecht und Rechtsphilosophie“ auf „Rechtsphilosophie und Strafrecht“ umgestellt worden, ohne die bisherigen Bewerber auf diese Änderung hinzuweisen, später sei die genannte Bewerberin nicht wie andere zum Probevortrag eingeladen worden. Nunmehr sei der Petitionsausschuss des Landtages gefragt.

3. Ich habe mir daraufhin das Schreiben der Spanisch sprechenden Strafrechtsprofessoren an die nordrhein-westfälische Ministerin für Kultur und Wissenschaft, den Bonner Rektor und den Dekan ihrer Rechts- und staatsanwaltschaftlichen Fakultät besorgen können, es datiert auf den 13.04.2021 und drückt die tiefe Besorgnis aus, dass eine historische und äußerst fruchtbare wissenschaftliche Zusammenarbeit mit dem Institut für Strafrecht und Strafrechtsphilosophie der Universität zu Ende käme, falls Michael Pawlik nicht den Ruf auf den Lehrstuhl für Strafrecht und Rechtsphilosophie erhalten würde.

4. In einem weiteren Artikel der FAZ vom 02.06.2021 unter dem Titel „Verwaister Olymp der Rechtsphilosophie“ wird ebenfalls auf diesen Brief abgestellt und mitgeteilt, nach dem ersten Berufungsverfahren habe sich eine abgelehnte Bewerberin beschwert, die sich zu Unrecht von einem ihrer Meinung nach befangenen Mitglied der Berufungskommission kritisiert sah. Das neu ausgeschriebene Verfahren habe deshalb ohne ihn stattgefunden. Nunmehr habe die Bewerberin Anstoß an verschiedenen Punkten genommen, in denen das Ministerium einen Rechtsverstoß sah, nach Meinung des Verfassers des Artikels eine „Farce“. Die Universität brauche den beschlossenen Ruf nur zu erteilen, angesichts der an den Haaren herbeigezogenen Beschwerden habe sie die angekündigte Rüge ebenso wenig zu fürchten wie eine etwaige Rechtsklage. Vom Rektorat hänge nun ab, ob die Universität und die Wissenschaft gegen willkürliche politische Eingriffe verteidigt würde.

5. Wie einem weiteren Artikel im Bonner Generalanzeiger vom 21. September 2021 zu entnehmen war, hatte sich Herr Pawlik im Mai des Jahres an den Petitionsausschuss des NRW-Landtags gewandt, der als Ausnahme zu einer gemeinsamen Sitzung mit dem Petenten und Vertretern der Universität und des Ministeriums lud und im August einen Zwischenbescheid an die Universität erließ, in dem er empfahl, die Stelle schnellstmöglich mit einer in besonders herausragender Weise qualifizierten Persönlichkeit zu besetzen. Ferner wurde noch Mitte September ein Protestbrief von mehr als 70 Juristen an den Rektor der Uni Bonn gerichtet, in dem ausdrücklich gefordert wurde, den Lehrstuhl wieder seiner Reputation angemessen zu besetzen. Der Bonner Dekan gab daraufhin am 16.09.2021 eine Erklärung ab, weder die Fakultät noch das Rektorat beabsichtigten, den Lehrstuhl auf Dauer unbesetzt zu lassen, sondern wollten ihn angemessen hochkarätig wiederbesetzen.

IV. Die auf die Rezension folgenden Publikationen

Im Sommer 2021 wurde in 6 Publikationen auf die Stuckenberg-Rezension und ihren Gegenstand eingegangen.

1. Mit E-Mail vom 08.05.2021 hatte Herr Rotsch den Mitherausgebern mitgeteilt, Frau Puppe und Herr Herzberg hätten bezüglich der Rezension Stuckenberg Beiträge für die ZIS angekündigt, die sich beide „in sachlicher und unaufgeregter Weise mit der Thematik beschäftigen wollen (Frau Puppe verhält sich dazu, was ein Rezensent darf und soll – pro Stuckenberg; Herr Herzberg will sich ausschließlich inhaltlich äußern – pro Stuckenberg)“.

a) In der Ausgabe 6/2021 der ZIS erschien sodann der Beitrag von Frau Puppe (Emerita der Universität Bonn) „Über den rechtswissenschaftlichen Diskurs oder: Was soll oder was darf ein Rezensent?“, der ohne Fußnoten auskam und auch den Gegenstand, für den er laut Mitteilung von Herrn Rotsch verfasst worden war, nicht benannte, für den Eingeweihten aber erkennen ließ: So es hieß, im wissenschaftlichen Diskurs dürfe ein Beitrag nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, dass der Verdacht gehegt würde, der Einsender sei nicht unparteiisch; die Beweggründe, aus welchen ein Teilnehmer das gesagt habe, was er gesagt hatte, täte nichts zur Sache; wer darüber spekuliere, verlasse den Boden des wissenschaftlichen Diskurses und trete in einen anderen Diskurs ein, für den nicht das Privileg der Freiheit der Wissenschaft gelte, sondern das Verbot des § 186 StGB; auch das Interesse, sich unsachlicher Kritik zu erwehren, rechtfertige nicht eine ehrenrührige Behauptung über den Kritiker, anderes gelte nur für unsachliche und ihrerseits beleidigende sog. Schmähkritik (ZIS 2021, 348). Enthalte die Arbeit nach der Ansicht des Rezensenten viele und schwerwiegende Fehler, so könne die Zusammenfassung nicht schmeichelhaft ausfallen; wie sie formuliert werde, sei eine Frage des Stils. Ziemlich unvermittelt wird hiernach auf die „Situation speziell der Frauen in der Rechtswissenschaft“ übergegangen, was nur verständlich wird, wenn man den Bezug auf die Stuckenberg Rezension kennt. Wer den Vorwurf erhebe, dass ein Kritiker aus frauenfeindlicher Gesinnung heraus geschrieben habe, verlasse den wissenschaftlichen Diskurs und führe einen anderen, für den das Vorrecht der Wissenschaftsfreiheit nicht gelte (S. 350).

b) In der nächsten Ausgabe 7-8/2021 erschienen zwei weitere Beiträge, wobei der Beitrag über „Verhaltensnorm, Sanktionsnorm und Tatbegriff – eine kritische Betrachtung“ von Herrn Herzberg (Emeritus der Uni Bochum), wie erwähnt, in den E-Mails von Herrn Rotsch vom 08.05. und 09.06.2021 gegenüber den Mitherausgebern erwähnt und angekündigt worden war. Der Beitrag knüpft an eine Auseinandersetzung an, die Herr Herzberg  mit Frau Rostalski im Jahr 2016 über die Bedeutung von Verhaltensnorm und Sanktionsnorm im Strafrecht geführt hatte (GA 2016, 73 und darauf erwidernd Herzberg GA 2016, 737). Der Autor teilt mit, dass er auf die Habilitationsschrift erst durch die „eindringliche Rezension“ von Stuckenberg aufmerksam geworden sei, und kommt unter Fortsetzung der früheren Auseinandersetzung zur Bedeutung von Verhaltensnorm und Sanktionsnorm anhand der in der genannten Schrift zu findenden Ausführungen zu dem Ergebnis, allen einschlägigen Behauptungen entgegenzutreten und sie „für zweifellos unzutreffend zu erachten“ (S. 429).

2. a) In Heft 27 der NJW 2021 vom 01.07.2021 publizierte Frau Hörnle einen Artikel in dem Abschnitt „Forum“ mit dem Titel „Gute wissenschaftliche Praxis bei Rezensionen“ (S. 1933 ff.). Als Anlass bezeichnete sie u. a. die Rezensionen von Kuhlen und Stuckenberg in der ZIS. Inhaltlich legt sie dar, dass unsachliche Rezensionen dem System Wissenschaft schaden würden. Aus der Leserperspektive seien Rezensionen unbrauchbar, sobald Zweifel an der persönlichen oder emotionalen Neutralität der Verfasser aufkämen; Zeitschriften würden ihre Servicefunktion aufgeben, wenn sie der Leserschaft zumuteten, die Beweggründe von Rezensenten einschätzen zu müssen. Die Übernahme und Veröffentlichungen von Buchbesprechungen solle unterbleibe, wenn die vorangegangenen Interaktionen zwischen Autor und Rezensent Besonderheiten aufwiesen, die einer neutralen Haltung entgegenstünden, beispielsweise ein aus vorausgegangenen beruflichen oder sozialen Konstellationen resultierender Konflikt, der bei der Rezension von Stuckenberg den Hintergrund gebildet habe, der durch zwei mit ungewöhnlichen Interventionen verbundenen Berufungsverfahren entstanden gewesen sei. Es müsse eine Fokussierung auf das zu besprechende Buch erfolgen, wer den Verdacht hege, dass großzügige Förderung von Auslandsaufenthalten problematische Nebeneffekte bei Veröffentlichungen erzeugen könne (unter Zitat der Fußnote 87 von Stuckenberg, der einen Verstoß gegen ein Kumulationsverbot moniert habe), sollte dem nachgehen, anstatt sich auf dunkles Raunen zu beschränken (S. 1935 mit Fn. 29).

b) In der Internet-Zeitschrift „KriPoZ“ veröffentlichte Frau Hoven in der Ausgabe 3/2021, S. 182 ff., einen Beitrag mit dem Titel „Lauter Verrisse“.[1] Sie hob zunächst die enorme Definitionsmacht des Rezensenten und die enorme Steigerung der Wirksamkeit von Rezensionen in Online-Publikationen hervor und vertrat die Auffassung, was die Öffentlichkeit interessiere, seien skandalträchtige Rezensionen. Ein seriöser Wissenschaftlicher sei sich dieser Verantwortung bewusst, doch könne jede machtvolle Stellung missbraucht werden, so dass bei Rezensionen die Gefahr bestehe, dass unter dem Deckmantel der Wissenschaftsfreiheit ein Kollege persönlich beschädigt werden solle. Eine Rezension, die persönliche Angriffe und eine Liste vermeintlicher Fehler präsentiere, könne keinen Beitrag zur Fortentwicklung der Wissenschaft leisten. Der Schriftleiter trüge die Verantwortung dafür, keine Rezension zu veröffentlichen, die offensichtlich aus sachfremden Gründen geschrieben wurde oder die persönliche Herabwürdigungen, Diffamierungen oder Unterstellungen enthielte. Wer hiergegen mit der Wahrung der Wissenschaftsfreiheit argumentiere, solle sich überlegen, ob er es selbst als Ausdruck dieser Freiheit verstehen würde, wenn über ihn eine Rezension erschiene, in der ihm über fast 20 Seiten fehlendes Denkvermögen attestiert, nationalsozialistische Rhetorik vorgeworfen und die Habilitationswürdigkeit abgesprochen werde – so geschehen in der Rezension von Stuckenberg, ZIS 2021, 280, 292, 297.

c) In der gleichen Ausgabe ist ein Beitrag von Herrn Weigend enthalten, nach dessen Meinung sich dem Leser von Stuckenbergs Rezension der Eindruck aufdränge, dass der Rezensent nicht nur die (vermeintlichen) Schwächen der Habilitationsschrift aufzeigen, sondern die Person der Autorin und ihre Qualifikation als Wissenschaftlerin kritisch zu beurteilen beabsichtige. Auch wenn möglicherweise bewertende, persönliche Gesamtabrechnungen den voyeuristischen Neigungen mancher Leser entgegenkämen, sollte ein Rezensent solche niedrigen Instinkte nicht bedienen und könne es auch gar nicht mit Anspruch auf Glaubhaftigkeit tun. Wer dies dennoch unternehme, missbrauche die Kraft, die ihm seine Rolle als Kritiker verleiht. Wer ein Buch rezensiere, nehme das Vertrauen der Leser in seine persönliche und sachliche Qualifikation bewusst in Anspruch. Speziell im Strafrecht bestehe eine zusätzliche Hürde gegenüber einer wirklich unbefangenen Besprechung, weil es zu einigen grundsätzlichen Fragen konträre theoretische Ausgangspositionen gebe. Insgesamt könne man sagen, dass eine kritische Betrachtung rechtswissenschaftlicher Werke weniger als in anderen Wissensgebieten anhand eines festen methodischen Kanons vorgenommen werden könne, was der persönlichen Einschätzung des Rezensenten relativ großer Freiraum gewähre.

3. Zu den beiden vorgenannten Beiträgen nimmt ein Artikel mit dem Titel „Strafrechtslehre als Wissenschaft? – Betrachtungen aus der Perspektive des Wissenschaftsrechts“ des Herrn Gärditz, Stuckenberg-Kollege an der Bonner Fakultät, Stellung, der wie der Herzberg-Beitrag in der ZIS-Ausgabe 7-8/2021 publiziert, anders als dieser den 3 Mitherausgebern der ZIS aber von Herrn Rotsch vorher nicht angekündigt wurde. Gärditz leitet seine Stellungnahme zu den Beiträgen von Hoven und Weigend mit der Bemerkung ein, dass ihn einige der artikulierten Erwartungen und Selbstverständnisse schlicht fassungslos machen würden. Die Bemerkung von Weigend, beim juristischen Diskurs spielten für die Überzeugungskraft der Argumentation gewiss auch die Einhaltung der Gesetze der Logik und der juristischen Auslegungsregeln eine Rolle, aber doch in einer gegenüber der Methodenstrenge anderer Wissenschaften sehr gelockerten Form, birgt nach Meinung von Gärditz die Gefahr, dass so die gesamte Methodenlehre implizit zum Humbug von Scharlatanen erklärt werde (S. 413). Damit würden ungewollt auch die Auseinandersetzungen von einer wissenschaftlich-fachlichen Debatte auf eine ideologische Ebene gehoben (S. 414). Ob Kritik berechtigt sei oder nicht, könne nicht von den Motiven abhängen; man könne aus niederträchtigen Motiven kritisieren und gleichwohl Recht haben (S. 415). Nicht alles, was irgendwie geschrieben werde, biete hierfür hinreichendes Substrat, und manchmal sei eben ein Verriss auch nur eine ehrliche Bilanz (S. 4126). Die Regeln für eine Rezension dürften auch nicht vom betreffenden Medium abhängen; gegenüber dem Argument von Hoven, noch in vielen Jahren würden sich Studierende die Rezension zuspielen (KriPoZ 2021, 182), erwidert Gärditz, so sei das eben mit Publikationen, man könne sie nicht wie missglückte Tweets einfach wieder löschen (S. 416). Befangenheit im Rezensionswesen gebe es nicht; eine Flucht in formale Befangenheitsregeln passe auf Rezensionen nicht. Die Wissenschaftsfreiheit schütze veröffentlichte Kritik selbstverständlich unabhängig vom Stilempfinden anderer, weshalb der Satz von Hoven bezüglich der Vorwürfe des fehlenden Denkvermögens, der nationalsozialistischen Rhetorik sowie der Verneinung der Habilitationswürdigkeit sprachlos mache; wenn man von der Wissenschaftsfreiheit nichts verstehe, solle man dazu nichts schreiben (S. 417 Fn. 43). Wer erkannte Defizite nicht benenne, würde insbesondere auch nicht dem wissenschaftlichen Nachwuchs gerecht, weil die Schonung von Blendwerk oder Schludrigkeit letztlich nur die breite Mehrheit derjenigen ungerechtfertigt herabsetze, die sich durch redliche Kärrnerarbeit im Weinberg der Wissenschaft verdient machten. Die intellektuellen Bankrotterklärungen seien (scil. in den beiden Beiträgen von Hoven und Weigend) so oberflächlich formuliert, dass der Anspruch, eine grundsätzliche Debatte über die eigene Fachkultur führen zu wollen, nicht zu erkennen sei; wissenschaftliche Richtigkeit müssten wir uns alle gegenseitig zumuten, die kritisierten Beiträge würden dieser Verantwortung in keiner Weise gerecht (S. 418). Ob die von ihm angeführten Regeln auch für Schmähkritik gelten, wird in dem Beitrag von Gärditz nicht thematisiert.

V. Das Verlangen nach einem klarstellenden Editorial, dessen Verhinderung durch den Mitherausgeber und Schriftleiter

Rotsch, dessen finale Kündigungserklärung und weitere Aktion

1. Mit dem Erscheinen der Ausgabe 7-8/2021 im Internet erfuhr ich erstmals von der Existenz des Beitrages von Gärditz und las auch erstmals den genauen Text des Beitrags von Herzberg. Am 25. Juli 2021 wandte ich mich daraufhin in einem E-Mail an die Mitherausgeber, in dem ich die Auffassung vertrat, dass die Aufnahme dieser Beiträge eine falsche Entscheidung gewesen sei, zumindest von den Herausgebern gemeinsam zu treffen gewesen wäre; durch die neue Ausgabe müsse deshalb der Eindruck einer Parteinahme der ZIS in der Bonner Berufungsangelegenheit entstehen, zumal nachdem die zahllosen Initiativen bekannt geworden seien, um die Berufung von Herrn Pawlik auf den Bonner Lehrstuhl zu erreichen. Wenn durch die neue Ausgabe der Eindruck einer Parteinahme aber entstanden sei, so müssten die Herausgeber diesem nicht fernliegenden Verständnis oder Missverständnis in der nächsten Ausgabe entgegentreten, bei welcher Gelegenheit dann auch der Grund der ganzen Affäre (gemeint war das Bonner Berufungsverfahren) wenigstens in seinen nüchternen Fakten zu notifizieren wäre.

2. Obwohl sich diesem Verlangen die Mitherausgeber Hefendehl und Hoyer anschlossen, hat Herr Rotsch in einer sich über Monate hinziehenden Korrespondenz das von mir verlangte Herausgeber-Editorial verweigert. Nachdem ich ihn zuletzt darauf hingewiesen hatte, dass das Editorial auch seine Handlungsweise als Schriftleiter betreffe und er deshalb nach allgemeinen Regeln der Befangenheit bei der Abstimmung darüber ausgeschlossen sei, hat er ausdrücklich die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft der Herausgeber mit Email vom 1.11.2021 gekündigt, und zwar mit folgendem Text:

„Sie sind der Auffassung, bei dem Herausgebergremium handele es sich um eine BGB-Gesellschaft. Dann sind Ihnen ja sicher die grundsätzlichen Regeln, die in einem solchen Fall gelten (z.B. Einstimmigkeit), bekannt. Eine Zusammenarbeit mit Ihnen und Herrn Hefendehl ist mir aufgrund Ihres Verhaltens und Ihrer Vorwürfe nicht mehr zumutbar. Dementsprechend kündige ich die Gesellschaft auf und erkläre sie hiermit für aufgelöst. Ich werde Ihren Namen und denjenigen von Herrn Hefendehl mit der Ausgabe 1/2022 von der Homepage entfernen. Sofern Sie aufgrund des aus meiner Sicht vollständig zerrütteten Vertrauens auf einer sofortigen Löschung bestehen, teilen Sie mir dies bitte mit.“ 

3. Ende November oder Anfang Dezember 2021 hat Herr Rotsch unter der Bezeichnung „ZIS – Zeitschrift für internationale Strafrechtswissenschaft“ und der seit 2006 von der ZIS benutzten URL „zis-online.com“ als „Aktuelle Ausgabe 1/2022“ einen Text ins Internet gestellt, der verschiedene Beiträge enthält, als „17. Jahrgang“ bezeichnet wird, die Herausgeber „Hoyer, Rotsch und Sinn“ ausweist und unter dem Link „Ältere Ausgaben“ sämtliche Ausgaben der ZIS seit 2006 verfügbar macht.


[1] Angegeben ist als „Kreationsdatum“ der 26.07.2021, was aber nicht stimmen kann, weil Gärditz hierauf bereits in Heft 7-8/2021 der ZIS ausführlich Stellung genommen hat und ich selbst den Artikel vor dem 25.07.2021 gelesen habe.